Um ehrlich zu sein fühlt ich mich etwas ertappt, als ich bei meinen wöchentlichen Recherchen auf dieses Thema gestoßen bin. Und wir mir geht es nach Beobachtung auch vielen anderen. Nachdem wir die Ansteuerungstonne eines Fahrwassers erreicht haben, orientieren sich doch viele am jeweiligen Tonnenstrich. Wir halten auf die nächste Tonne zu, kontrollieren mit geübten Blick nach achtern und halten nach Wind und Strom vor.
Hand aufs Herz: Prüft jeder da draußen auch gewissenhaft die NfS/BfS?
Nachlässiger werden wir, wenn es unser Stammgewässert ist. Jedes Wochenende durchqueren wir in Routine die unterschiedlichen Fahrwasser.
Interessant ist daher as Urteil aus 2022 zu einem besonderen Fall. Ein Skipper fährt bei gutem Wetter und guter Sicht in ein Fahrwasser. Ab Tonne 9 peilt er die nächste Tonne an und passt darauf hin seinen Kurs entsprechend an. Kurz darauf kommt es zu einer schweren Grundberührung und schweren Verletzungen. Es stellt sich heraus, dass der Kurswechsel erst nach Tonne 11 hätte passieren dürfen, diese war aber im Auftrag der Gemeinde zu Wartungszwecken entfernt worden.
Die Gemeinde hatten einen Fischer beauftragt, der die Stelle mit einem Fischerfähnchem markiert hatte.
Im Urteil (LG Lübeck, Urt. v. 19. September 2022 – 10 O 173/18) wurde festgestellt, dass die Gemeinde die ihr obliegende Amtspflicht verletzt hat, den Schiffsverkehr in einer zum Kommunalhafen gehörenden Fahrrinne sicher zu regeln, indem vorübergehend eine Fahrwassertonne ohne geeigneten Ersatz aus der Fahrrinne entfernt wurde. Wenn dann eine Segelyacht auf Grund läuft, trifft die Gemeinde ein ganz überwiegendes Verschulden mit entsprechenden Haftungsfolgen für materielle und immaterielle Schäden gemäß § 839 Abs. 1 BGB.
In einem nautischem Gutachten wurde hervorgehoben, dass Fahrwassertonnen eine wesentliche Kennzeichnung des sicher zu befahrenden Fahrwassers darstellen, trotzdem aber lediglich als Hilfe anzusehen seien, die Navigation also nicht ausschließlich auf Fahrwassertonnen beschränkt werden dürfe. Gerade in Kurvenverläufen könne es falsch sein, sich exakt an den Tonnenstrich zu halten. Es müsse daher stets in der Seekarte gearbeitet und der eigene Kurs auch unter Einbeziehung des Echolots an den Verlauf des Fahrwassers angepasst werden.
Das Landgericht Lübeck hat vor diesem Hintergrund ein Mitverschulden des Eigners angenommen und eine Kürzung der Ansprüche um ein Drittel zugrunde gelegt. Zwar sei das Verschulden der Gemeinde deutlich höher zu bemessen. Der Eigner hätte durch sorgfältiges Navigieren in der Seekarte erkennen müssen, dass die Tonne 11 fehlte, insbesondere auch wegen des großen Abstands zur nächsten Tonne nach dem Passieren der Tonne 9. Insoweit sei auch eine zusätzliche Orientierung an den Backbordtonnen auf der gegenüberliegenden Seite der Rinne geboten gewesen.
Die Entscheidung des Landgerichts Lübeck ist nachvollziehbar, im Hinblick auf das übliche Verhalten an Bord kurz vor dem Einlaufen in den Hafen ist das Urteil aber durchaus überraschend.
Also das nächste Mal doch ein paar navigatorische Gedanken machen und an die errechneten Kurse halten. Dauert doch nicht so lang und gibt jedem in der Crew das Ruder zu übernehmen.